Der Landesverband Thüringer Karnevalvereine e.V. initiiert entscheidende Gespräche mit Innenminister Georg Maier
Der Thüringer Karneval hat eine lange und stolze Tradition. Seit Jahrhunderten ziehen Umzüge durch die Straßen, werden Wagen liebevoll gestaltet, Kostüme in monatelanger Arbeit genäht und Programme bis ins Detail geplant. Für viele Menschen in Thüringen sind die närrischen Tage mehr als nur eine bunte Abwechslung vom Alltag – sie sind gelebte Kultur, Ausdruck regionaler Identität und Sinnbild für Gemeinschaft. Doch so unbeschwert und ausgelassen der Karneval für Besucherinnen und Besucher auch wirkt, hinter den Kulissen wird seit Jahren ein immer größerer organisatorischer Kraftakt gestemmt. Die Herausforderungen sind immens: steigende Sicherheitsanforderungen, komplexere Genehmigungsverfahren, deutlich höhere Kosten und eine zunehmende Verantwortung für ehrenamtlich Engagierte, die diese Traditionen am Leben erhalten.
Der Landesverband Thüringer Karnevalvereine e.V. (LTK), der hunderte Vereine im Freistaat vertritt, hat die Sorgen und Nöte der Ehrenamtlichen früh erkannt. Für viele Vereinsvorstände war klar: So wie bisher lässt sich der Karneval langfristig kaum noch bewältigen. Während kreative Ideen und kulturelle Vielfalt ungebrochen sprudeln, wächst der Druck auf die Organisatoren jedes Jahr weiter. Neue Sicherheitskonzepte müssen erstellt, Zufahrtskontrollen geplant, Rettungswege ausgewiesen und technische Vorgaben erfüllt werden. Viele Vereine sehen sich mittlerweile gezwungen, externe Sicherheitsdienstleister zu beauftragen, deren Kosten die Budgets übersteigen. Gleichzeitig steigen die Anforderungen der Kommunen, die selbst zwischen Verantwortung, knappen Mitteln und rechtlichen Unsicherheiten stehen.
Um diesen wachsenden Herausforderungen zu begegnen, ergriff der LTK die Initiative. Die Idee war klar: Alle Beteiligten müssen an einen Tisch. Behörden, Politik, Kommunen, Sicherheitsorgane und Ehrenamtliche sollten gemeinsam Lösungen finden. So wurden zwei wegweisende Runde Tische initiiert, die am 06. Mai 2025 und am 26. August 2025 stattfanden. Diese Treffen markieren einen Meilenstein für die Zukunft des Thüringer Karnevals – nicht nur wegen der erzielten Ergebnisse, sondern auch, weil sie den Beginn eines neuen kooperativen Miteinanders einleiteten.
Der erste Runde Tisch am 6. Mai 2025 fand im traditionsreichen „Haus zur Narrenschelle“ in Erfurt statt und war der Auftakt zu einem offenen Dialog. In Vertretung von Innenminister Georg Maier übernahm Staatssekretär Andreas Bausewein die Gesprächsleitung. Vertreterinnen und Vertreter aus den Karnevalsvereinen Erfurt, Wasungen, Sondershausen, Vacha, Greiz, Apolda und Hörselgau berichteten von ihren Erfahrungen, die oft symptomatisch für die Gesamtsituation im Freistaat stehen. Viele Vereine kämpfen längst nicht mehr nur um gute Ideen oder freiwillige Helfer, sondern vor allem darum, den immer höheren behördlichen Anforderungen gerecht zu werden. Sicherheitskonzepte müssen heute detailliert und lückenlos sein, Zufahrtssperren und Rettungswege erfordern präzise Planungen, Versicherungen werden teurer und die Finanzierung externer Sicherheitskräfte ist oft kaum noch zu stemmen.
„Unsere Vereine wollen Sicherheit – und sie leisten Enormes. Aber der Punkt ist erreicht, an dem Ehrenamt ohne Unterstützung nicht mehr funktioniert“, brachte LTK-Präsident Christoph Matthes die Situation auf den Punkt. Dieses Statement prägte den Abend und machte deutlich, dass es längst nicht mehr nur um organisatorische Fragen geht. Es geht um die grundsätzliche Zukunftsfähigkeit des Thüringer Karnevals.
Statt Schuldzuweisungen herrschte eine bemerkenswerte Offenheit und Lösungsorientierung. Staatssekretär Bausewein betonte die Notwendigkeit von Augenmaß: „Wir neigen dazu, eine Vollkasko fürs Leben zu wollen – aber das ist nicht immer möglich.“ Der Tenor des Abends: Es müssen Wege gefunden werden, die Sicherheit gewährleisten, ohne das Ehrenamt durch immer neue Auflagen zu überlasten. Gemeinsam wurden erste wichtige Beschlüsse gefasst. Handlungsempfehlungen für kommunale Ordnungsbehörden sollen die Genehmigungspraxis vereinfachen und vereinheitlichen. Auch die Prüfung zusätzlicher Beratungsangebote im Rahmen der Thüringer Ehrenamtsförderung wurde vereinbart.
Dieser erste Runde Tisch war ein Auftakt voller Zuversicht. Ein weiterer wichtiger Impuls für die vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit zwischen Ehrenamtlichen, Politik und Verwaltung. Und allen Beteiligten war klar: Der Weg ist lang, und es braucht konkrete Maßnahmen, um das Erarbeitete in die Praxis umzusetzen.
Der zweite Runde Tisch am 26. August 2025 im Erfurter Rathaus führte diesen Weg konsequent weiter. Diesmal nahm Innenminister Georg Maier persönlich teil und brachte greifbare Ergebnisse mit. Die Stimmung war von Optimismus geprägt, gleichzeitig war der Handlungsdruck spürbar. Drei zentrale Fragen standen im Mittelpunkt: Wie können Veranstaltungen rechtssicher und planbar organisiert werden? Wie lassen sich Kommunen und Vereine finanziell entlasten? Und wie kann das Ehrenamt gestärkt werden, um den Karneval langfristig zu sichern?
Die Ergebnisse waren richtungsweisend. Künftig sollen bis zu 500.000 Euro pro kommunale Kooperation aus dem Landesausgleichsstock zur Verfügung gestellt werden. Hierbei soll die gemeinschaftliche Beschaffung und Nutzung von Zufahrtssperren gefördert werden. Diese Mittel sollen speziell für sicherheitsrelevante Anschaffungen wie Absperrungen, Zufahrtssperren und technische Ausstattung genutzt werden. Damit können Kommunen gemeinsam mit Vereinen Planungen vorantreiben, ohne durch knappe Haushalte blockiert zu werden. Außerdem kündigte der Innenminister einen Erlass an, der die Erstellung von Sicherheitskonzepten künftig vereinheitlichen und für mehr Rechtssicherheit sorgen soll. Kommunale Ordnungsbehörden werden so entlastet, und auch für Vereine entsteht mehr Transparenz und Planbarkeit.
Doch besonders wichtig: Das Ehrenamt wurde ausdrücklich in den Fokus genommen. Neue Fördermöglichkeiten sollen die Vereinsarbeit erleichtern, bürokratische Hürden abgebaut und Beratungsangebote ausgeweitet werden. „Wir wollen gemeinsam Brauchtum fördern, bewahren und weiterentwickeln. Mit dem neuen Förderprogramm nehmen wir Kommunen ein großes Stück der finanziellen Last ab und schaffen Planungssicherheit für Vereine und Veranstalter“, erklärte Innenminister Maier.
Diese konkreten Ergebnisse sind ein Meilenstein. Doch sie sind auch das Ergebnis eines immensen organisatorischen Kraftakts im Hintergrund, der vor allem vom Ehrenamt getragen wurde. Die Vorbereitung beider Runder Tische bedeutete für den LTK monatelange Arbeit. Termine mussten koordiniert, Ablaufpläne erstellt, Tagesordnungen vorbereitet, Präsentationen gestaltet und umfangreiche Dokumente erarbeitet werden. Der Schriftverkehr mit Ministerien, Staatskanzlei, Kommunen und Sicherheitsbehörden war intensiv und erforderte Präzision. Gleichzeitig mussten die Anliegen und Perspektiven der zahlreichen Mitgliedsvereine gesammelt, ausgewertet und in konsensfähige Positionen übersetzt werden.
Dieser Aufwand ist kaum in Zahlen zu fassen. Unzählige Stunden ehrenamtlicher Arbeit flossen in die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Treffen. Menschen, die neben Beruf und Familie ihre Freizeit opfern, haben dafür gesorgt, dass der Thüringer Karneval eine Zukunft hat. Hier hat das Ehrenamt erneut seine Strahlkraft bewiesen: ohne persönliche Leidenschaft, Engagement und Hartnäckigkeit wäre dieser Dialog nicht möglich gewesen.
Das Besondere an diesem Prozess ist jedoch nicht nur, dass Lösungen gefunden wurden, sondern wie sie gefunden wurden. Politik, Verwaltung und Ehrenamt begegneten sich auf Augenhöhe. Es gab keine Gegensätze, sondern gemeinsame Ziele. Der Gemeinde- und Städtebund Thüringen e.V. begrüßte die Maßnahmen ausdrücklich und bot an, die Umsetzung konstruktiv zu begleiten. Auch die Thüringer Staatskanzlei spielte eine zentrale Rolle, indem sie die Perspektive des Ehrenamts stärkte und Beratungsangebote in Aussicht stellte.



Damit wurde deutlich: Nur durch Kooperation lassen sich die Herausforderungen meistern. Der Thüringer Karneval steht exemplarisch für viele andere kulturelle Veranstaltungen, die vor ähnlichen Problemen stehen. Die entwickelten Lösungen schaffen nicht nur für den Karneval, sondern auch für Volksfeste, Vereinsjubiläen und andere traditionsreiche Ereignisse einen zukunftsfähigen Rahmen.
Der LTK wird diesen Weg konsequent weitergehen. Die kommenden Monate sollen genutzt werden, um länderübergreifende Netzwerke mit Karnevalsverbänden anderer Bundesländer aufzubauen und Best-Practice-Beispiele auszutauschen. Darüber hinaus sollen Schulungen entwickelt werden, die Ehrenamtliche gezielt unterstützen und ihnen das notwendige Wissen zu Sicherheitsanforderungen und Genehmigungsverfahren vermitteln. Auch die Zusammenarbeit mit weiteren Dachverbänden ist geplant, um Synergien zu nutzen und gemeinsam die Rahmenbedingungen für öffentliche Veranstaltungen zu verbessern.
Der Thüringer Karneval hat eine große Vergangenheit – und dank der Initiativen des LTK nun auch eine gesicherte Zukunft. Doch eines ist klar: Der Erfolg basiert auf dem unermüdlichen Einsatz der Menschen, die diese Tradition mit Leben füllen. Ob Präsident, Wagenbauer, Kostümschneiderin oder Organisator – ohne ihre Leidenschaft gäbe es keine Umzüge, keine Sitzungen und keine ausgelassene Freude in den Straßen.
Der LTK dankt ausdrücklich dem Thüringer Ministerium für Inneres, Kommunales und Landesentwicklung mit Innenminister Georg Maier, der Thüringer Staatskanzlei mit dem Ehrenamtsbeauftragten Guntram Wothly, dem Gemeinde- und Städtebund Thüringen sowie den zahlreichen kommunalen Vertreterinnen und Vertretern für ihr offenes Ohr, ihre Kooperationsbereitschaft und ihre Unterstützung. Dieses partnerschaftliche Miteinander ist ein starkes Signal: Tradition, Sicherheit und Ehrenamt können gemeinsam gestaltet werden.
Der Weg ist noch nicht zu Ende. Doch die beiden Runden Tische haben gezeigt, dass durch Dialog, gegenseitiges Verständnis und konkrete Maßnahmen große Herausforderungen gemeistert werden können. Der Thüringer Karneval wird damit nicht nur bewahrt, sondern gestärkt – als lebendiges Kulturerbe, als Ausdruck regionaler Vielfalt und als Symbol für Gemeinschaft.