Wenn in Thüringen die Vorbereitungen auf die neue Karnevalssaison beginnen, spürt man überall die Mischung aus Vorfreude, Tradition und unbändigem Gemeinschaftsgeist, die den Karneval im Freistaat zu etwas Besonderem macht. Hinter den bunten Umzügen, den fröhlichen Sitzungen und den liebevoll gestalteten Wagen stehen jedoch Menschen, die unzählige Stunden ehrenamtlicher Arbeit investieren. Sie organisieren, planen, basteln, koordinieren, beantragen, dekorieren und übernehmen Verantwortung – und dies häufig neben Beruf und Familie. Das Ehrenamt bildet das Rückgrat des Thüringer Karnevals, und ohne diese engagierten Menschen wäre ein Großteil der Veranstaltungen schlicht nicht durchführbar. Gerade weil dieses Ehrenamt heute vor deutlich komplexeren Anforderungen steht als noch vor einigen Jahren, kommt qualifizierter Weiterbildung eine immer größere Bedeutung zu. Sicherheitsfragen, rechtliche Rahmenbedingungen, Verkehrs- und Zufahrtsschutz, Zusammenarbeit mit Behörden – all diese Themen haben sich in den letzten Jahren zu unverzichtbaren Aufgabenfeldern entwickelt, denen sich Vereine stellen müssen, um ihre Veranstaltungen verantwortungsvoll und rechtssicher durchführen zu können.
Vor diesem Hintergrund fand am 22. und 23. November 2025 im werkraum.studio der Erfurter Zentralheize ein außergewöhnliches zweitägiges Seminar statt, das sich intensiv mit Sicherheitskonzepten und Zufahrtsschutz für Karnevalsumzüge und -veranstaltungen beschäftigte. Die Veranstaltung brachte nicht nur mehr als 30 Ehrenamtliche aus 17 Thüringer Karnevalsvereinen zusammen; sie vereinte zudem drei herausragende Experten, deren Wissen, Professionalität und herzliche Art das Seminar zu einem echten Meilenstein werden ließen. Die Teilnehmenden kamen aus einer beeindruckenden Bandbreite karnevalistischer Traditionen: vom Faschings-Regionalverein Apolda über den Elferrat Viernau bis hin zu den großen Vereinen aus Wasungen, Waltershausen oder den Gemeinschaften Erfurter Carneval. Die Vielfalt der vertretenen Vereine – vom regional kleinen bis zum historisch bedeutsamen – sorgte dafür, dass die Diskussionen während der beiden Tage reich an Perspektiven und Erfahrungen waren. Dieses Zusammentreffen machte das Seminar nicht nur zu einem Lernort, sondern auch zu einem Ort des Austauschs und der gegenseitigen Inspiration.
Zu den drei Dozenten gehörten Persönlichkeiten, die im Bereich der Veranstaltungssicherheit weit über Thüringen hinaus eine besondere Rolle spielen. Allen voran Rechtsanwalt Thomas Rüsche, LL.M., Partner der renommierten KanzleiLoehr in Bonn, die bundesweit als führende Kanzlei im Veranstaltungsrecht gilt. Rüsche ist nicht nur rechtlicher Berater von über 250 Kommunen in Deutschland, sondern auch einer der zentralen Autoren des juristischen Standardwerks „Löhr/Gröger – Bau und Betrieb von Versammlungsstätten“. In seinem Auftaktvortrag verstand er es, die oft gefürchtete Welt der Gesetze, Regelwerke und Verantwortungspflichten in klare, verständliche und gut nachvollziehbare Strukturen zu übersetzen. Sein Wissen ist umfassend, seine Vortragsweise ruhig und präzise, und seine Fähigkeit, komplexe Sachverhalte für Ehrenamtliche greifbar zu machen, wurde von den Teilnehmenden mehrfach gelobt. Gerade im Ehrenamt, wo der Umgang mit Behörden und rechtlichen Anforderungen oft Unsicherheiten auslöst, vermittelte Rüsche nicht nur Inhalte, sondern auch das Selbstbewusstsein, Verantwortung mit fachlichem Hintergrundwissen übernehmen zu können.
Seine rechtliche Einführung machte deutlich, wie wichtig eine klare Rollenverteilung zwischen Veranstalter, Behörden und Dritten ist. Der Veranstalter trägt stets die Gesamtverantwortung – unabhängig davon, ob ein Verein ehrenamtlich arbeitet oder professionell. Dazu gehören die Verkehrssicherungspflicht, die ordnungsgemäße Vorbereitung und Dokumentation von Maßnahmen, die Zusammenarbeit mit Behörden sowie die Absicherung der Besucherinnen und Besucher. Besonders eindrücklich erklärte Rüsche den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Maßnahmen müssen geeignet, erforderlich und dem Veranstalter zumutbar sein. Damit entkräftete er die weithin verbreitete Sorge, dass Behörden automatisch unverhältnismäßig hohe Auflagen erteilen würden. Vielmehr zeigte er, wie wichtig es ist, ein solides, fachlich fundiertes Konzept vorzulegen – und wie dies die Zusammenarbeit mit Behörden erheblich erleichtert.
Ebenso wichtig war das Verständnis für die Rollen der Genehmigungsbehörden selbst. Viele Ehrenamtliche erleben Behörden als Hürde, doch Rüsche stellte klar, dass sie einen ebenso wichtigen Teil der Verantwortung tragen und grundsätzlich daran interessiert sind, gemeinsam Lösungen zu finden. Frühzeitige Kommunikation, vollständige Unterlagen und das Aufzeigen eigener Überlegungen im Sicherheitskonzept schaffen Vertrauen und Planbarkeit – und führen dazu, dass behördliche Entscheidungen nachvollziehbar und realistisch bleiben. Diese Perspektive veränderte für viele Teilnehmende das Bild, das sie bisher von behördlichen Abläufen hatten.
Nach der rechtlichen Einführung übernahm Alexander Kreth, Inhaber der Groundworks GmbH und einer der erfahrensten Experten für Großveranstaltungslogistik im deutschsprachigen Raum. Seine berufliche Vita liest sich wie ein Katalog der größten europäischen Events: Rock am Ring, Hurricane Festival, Hessentag, IAA Mobility, große Stadionkonzerte von ACDC, Ed Sheeran, Adele, Metallica oder den Rolling Stones, sowie Großveranstaltungen an Orten wie dem Hockenheim-Ring. Doch trotz dieser beeindruckenden Tätigkeitsschwerpunkte war Kreth in seinem Umgang mit den Ehrenamtlichen ausgesprochen bodenständig, humorvoll und zugänglich. Er brachte eine Fülle an Bildmaterial und Praxisbeispielen mit und erklärte anhand realer Szenarien, warum bestimmte Verkehrsführungen funktionieren, andere hingegen gefährlich werden können, und weshalb scheinbar einfache Lösungen oft nicht ausreichen.
Kreth gelang es, die theoretischen Grundlagen der Sicherheit unmittelbar sichtbar zu machen: Wie weit muss ein Sicherheitsbereich sein, damit Fahrzeuge keine unkontrollierten Bewegungen in Menschenmengen ausführen können? Wie berechnet man realistische Personenströme? Welche Schwachstellen entstehen entlang von Streckenführungen? Wie werden Fahrzeuge gelenkt, und wie plant man Wege so, dass Rettungsfahrzeuge jederzeit freien Zugang behalten? Seine praxisnahe Darstellung vermittelte den Teilnehmenden ein tiefes Verständnis für den Zusammenhang zwischen Planung, räumlicher Realität und technischen Rahmenbedingungen. Viele Teilnehmende gaben später an, dass Kreths Beispiele ihnen endgültig verdeutlichten, warum Sicherheit keine Nebensache ist, sondern genauso Teil des Karnevals wie Musik und Kostüme.
Ein besonderes Highlight des ersten Schulungstages war der Exkurs über den bereits aufgebauten Erfurter Weihnachtsmarkt. Dort hatten die Veranstalter schon zahlreiche Zufahrtsschutzmaßnahmen installiert. Dieser Rundgang verwandelte das theoretische Wissen in ein unmittelbar sichtbares und fühlbares Erlebnis. Die Teilnehmenden sahen mobile Sperren, feste Poller, Umwegführungen, Sicherheitsabstände und Schutzzonen aus nächster Nähe und konnten Fragen direkt vor Ort stellen. Die Dozenten erklärten, wie solche Sperren dimensioniert sein müssen, welche Normen dahinterstehen, und welche Überlegungen in der Feinplanung eine Rolle spielen. Für viele Teilnehmende war dieser Praxisteil ein „Aha-Moment“, denn er führte vor Augen, wie ähnlich Weihnachtsmärkte und Karnevalsumzüge im Hinblick auf Sicherheitsanforderungen sind und wie eng Theorie und Praxis verzahnt sein müssen.
Der Nachmittag des ersten Tages gehörte Christian Schneider von der Initiative Breitscheidplatz. Er vermittelte die technischen und organisatorischen Grundlagen moderner Zufahrtsschutzsysteme – ein Thema, das seit den Ereignissen der letzten Jahre verstärkt in den Fokus der öffentlichen Diskussion gerückt ist. Schneider brachte jedoch nicht nur Fachwissen mit, sondern vor allem eine bemerkenswerte persönliche Wärme. Seine Vorträge waren von großer Empathie getragen; er sprach über technische Sperrmechanismen ebenso selbstverständlich wie über die gesellschaftliche Verantwortung, die Veranstalter tragen. Sein Anliegen: zu zeigen, dass Zufahrtsschutz nicht aus Angst, sondern aus Fürsorge geplant wird. Die Teilnehmenden konnten aus seinen Erläuterungen mitnehmen, wie mobile Barrieren aufgebaut werden, welche technischen Standards existieren, wie Rettungswege auch bei hohen Sicherheitsanforderungen frei bleiben und wie Kosten und Nutzen realistisch abgeschätzt werden können. Schneiders Vortrag verband technische Details mit eindringlichen Beispielen aus der Praxis und hinterließ einen bleibenden Eindruck von der Bedeutung sorgfältiger Planung.
Der zweite Seminartag stand ganz im Zeichen der praktischen Umsetzung. Durch Thomas Rüsche wurde den Teilnehmenden ein eigenes Sicherheitskonzept speziell zugeschnitten auf Karnevalsumzüge vorgestellt. Dabei wurden sie durch den Dozenten eng begleitet, konnten Fragen stellen, Unsicherheiten klären und typische Problemstellungen aus ihren Heimatvereinen direkt einbringen. Viele erlebten zum ersten Mal, wie ein solches Konzept von Grund auf aufgebaut wird: von der Definition der Schutzziele über die Gefährdungsanalyse bis hin zur Festlegung geeigneter organisatorischer und technischer Maßnahmen. Besonders wertvoll war die gemeinsame Diskussion verschiedener Szenarien. Wie geht man mit engen Altstadtbereichen um? Wie plant man Umleitungen, wenn Anwohner Zufahrten benötigen? Welche Maßnahmen sind notwendig, wenn große Menschenmengen auf kleinen Flächen zusammenkommen? Wie lässt sich ein Sicherheitskonzept mit begrenzten finanziellen Mitteln dennoch professionell gestalten?
Die Gruppen entwickelten während des zweiten Tages Fachwissen über Konzepte, welches nicht nur theoretisch korrekt, sondern tatsächlich umsetzbar ist und sich an der Realität der Vereine orientierten. Dieser praxisnahe Ansatz machte den Wert des Seminars besonders deutlich. Die Teilnehmenden verließen die Veranstaltung mit Fachwissen, die sie unmittelbar für ihre Vereinsarbeit nutzen können – ein Ergebnis, das im Ehrenamt von unschätzbarem Wert ist.
Neben der fachlichen Qualität prägte die menschliche Wärme die beiden Seminartage. Die Dozenten standen jederzeit für Fragen bereit, erzählten aus ihrem Berufsalltag, gaben praktische Tipps und schufen damit eine offene, vertrauensvolle Atmosphäre. Viele Teilnehmende berichteten, sie hätten selten ein Seminar besucht, das so viel Kompetenz und gleichzeitig so viel Herzlichkeit vereint habe. Gerade für ehrenamtliche Veranstalter, die in ihren Vereinen oft große Verantwortung tragen, ohne dafür professionelle Ressourcen zu haben, war diese persönliche Unterstützung besonders wertvoll.
Ebenso bedeutsam wie die inhaltliche Qualität war die Tatsache, dass dieses hochwertige Seminar nur durch die Förderung im Rahmen des Thüringer Ehrenamtsgesetzes möglich wurde. Ein großes Dankeschön gilt der Thüringer Staatskanzlei, dem Ministerium für Inneres, Kommunales und Landesentwicklung sowie dem Thüringer Ehrenamtsbeauftragten. Die Förderung ist ein deutliches Signal: Das Ehrenamt im Freistaat wird nicht nur geschätzt, sondern auch gezielt gestärkt. Ohne diese Unterstützung wäre es kaum möglich gewesen, Expertinnen und Experten dieser Qualität zu gewinnen und ein Seminar dieser Tiefe zu realisieren. Die Teilnehmenden nahmen dies mit großer Dankbarkeit wahr; viele betonten, dass sie sich durch die Förderung erstmals wirklich gesehen und wertgeschätzt fühlen.
Abgerundet wurde das Seminar durch die ausgezeichnete Versorgung durch Melavie, deren Catering sowohl qualitativ als auch organisatorisch höchsten Ansprüchen genügte, sowie durch die gastfreundliche Atmosphäre der Zentralheize bzw. des werkraum.studio. Beide trugen dazu bei, dass die Teilnehmenden sich wohlfühlten und sich voll und ganz auf die Inhalte konzentrieren konnten.


Nach zwei intensiven Tagen zogen die Teilnehmenden ein eindeutiges Fazit: Dieses Seminar war ein wichtiger Schritt für die Zukunft des Thüringer Karnevals. Es vermittelte Wissen, das unmittelbar anwendbar ist, stärkte das Selbstbewusstsein der Ehrenamtlichen und zeigte, wie wichtig es ist, Sicherheit nicht als bürokratische Pflicht, sondern als gemeinschaftliche Aufgabe zu verstehen. Viele sprachen von einem „Aha-Moment“, andere von „dem wichtigsten Seminar seit Jahren“, wieder andere davon, dass sie die nächste Saison nun mit einem deutlich besseren Gefühl starten. Die Mischung aus juristischer Tiefe, praktischer Anwendung und menschlicher Nähe machte dieses Seminar außergewöhnlich – und es ist zu hoffen, dass es nicht das letzte seiner Art war. Denn eines zeigte sich deutlich: Der Thüringer Karneval lebt vom Ehrenamt, aber das Ehrenamt braucht gute Rahmenbedingungen, verlässliche Partner und fundierte Weiterbildung. Dieses Seminar war dafür ein eindrucksvolles Beispiel.